Bruchhausen-Vilsen. Es gleicht einer Szene aus einem Werbefilmchen: Frisch geerntete Hopfenzweige liegen auf einem Eichenfass und erstrahlen grün in der herbstlichen Mittagssonne. Mittendrin schimmert naturtrübes Bier durch sein gläsernes langhalsiges Zuhause. Obwohl die Bierbänke und das Sonnensegel sich bereits verstaut auf den nächsten Sommer vorbereiten, entsteht für einen Moment beim Hoffbruhuus Heidhoff in Oerdinghausen doch noch Biergartenatmosphäre. Vilsener Pilsener steht auf der drappierten Flasche, deren Inhalt Cord Heidhoff gerade in sein Glas laufen lässt. Dabei kann er einen Hauch Stolz nicht verheimlichen. Zu recht, ist er doch der Erfinder des alkoholhaltigen Getränks.
Die Wurzeln des Vilsener Pilseners liegen genau genommen in den 1990er-Jahren. Vor 21 Jahren wurde das Heuhotel ins Leben gerufen. Damals war der heutige Gasthof noch ein landwirtschaftlicher Betrieb. Mit dem Umbau im Jahr 1994 stieg die Anzahl der Gäste und der Feiern. „Die Feiern wurden immer größer, wir haben in eine Theke investiert, und irgendwann steht man selber da und serviert“, fasst Cord Heidhoff zusammen. Serviert wurde vor allem Bier, was den neugierigen Inhaber ins Grübeln brachte, woraus das Hopfenwasser überhaupt besteht. Diverse Besuche bei Brauseminaren waren die Folge. „Und da hat mich irgendwann selber das Virus gepackt“, erzählt der leidenschaftliche Biertrinker. Das war vor sieben Jahren.
Bierbrauen ohne Meisterbrief möglich
Der Entstehung des Vilsener Pilseners spielte es in die Karten, dass Gasthöfe dank einer Gesetzesnovelle mittlerweile auch ohne Meisterbrief Biere brauen dürfen – der Startschuss für den Quereinsteiger. Die ersten Gehversuche auf dem alkoholhaltigen Terrain machte Cord Heidhoff in der Küche. „Damals hieß es einfach: Kochtopf raus und die Küche einsauen“, blickt Heidhoff amüsiert zurück.
Die benötigten Zutaten wurden früher wie heute über das Internet bestellt, doch die Dimensionen haben sich geändert. Heute rührt Cord Heidhoff in einem Sudkessel mit vier Hektolitern Fassungsvermögen, was umgerechnet 400 Litern entspricht. Übrigens Eigenbau, wie Cord Heidhoff verrät: „Das ist ein alter Milchbehälter aus der Landwirtschaft, den ich mit einem Metallbauer umgebaut habe.“ Raffiniert und kostensparend, denn ein vergleichbarer Kessel hätte seinen Worten nach beim Kauf mindestens 15 000 Euro gekostet. Da der Hobby-Brauer aber sowieso gerne bastele, habe der Spaß beim Bauen aber eine nicht minder große Rolle bei der Entscheidung gespielt.
In dem Kessel befindet sich ein Innentopf, der mit Gerste und Malz gefüllt wird. Der in der Gerste enthaltene Zucker wird beim Brauen herausgewaschen. „Der Zucker kann durch die Hefe in Alkohol und Kohlensäure umgebaut werden“, erklärt Cord Heidhoff. Das Malz wiederum sorge für die Geschmacksvielfalt. Etwa 90 Kilogramm Malz werden pro Kessel benötigt, das Abwiegen erfolgt durch die eingebaute Waage. Der Hopfen wiederum findet in Form von Pellets seinen Weg ins Bier. Dahinter verbirgt sich aber keine Pfennigfuchserei, sondern ein praktischer Grund: „Pellets lassen sich genau einwiegen. Dadurch kann die Alphasäure im Hopfen besser beeinflusst werden.“ Und das ist wichtig, denn eben jene Säure bestimmt die Bitterkeit im Bier. Das eingefüllte Wasser wird mittels Heizstäben erwärmt und von unten durch ein Sieb in den Innentopf gepumpt. „Der ganze Brauprozess dauert sechs bis acht Stunden“, sagt Cord Heidhoff.
Schlechtes Bier in Tschechien
Vilsener Pilsener ist doch sicher eine Ode an Bruchhausen-Vilsen? Auch, aber nicht nur. Cord Heidhoff erzählt von Joseph Groll, der im 19. Jahrhundert in Vilshofen lebte und nach Pilsen in Tschechien abberufen wurde. „Die Tschechen hatten damals so schlechtes Bier und Groll konnte gutes Pils brauen“, erklärt Heidhoff. In Pilsen wurde die Brauerei Pilsener Urquell gegründet, dem das Pilsener seinen Namen zu verdanken hat. In einer Glosse philosophierte der Vilshofener Anton Meindl 1992 derweil darüber, was ohne diese Reise Grolls passiert wäre. „Darin stand, wenn Herr Groll nicht nach Pilsen gegangen wäre, würde das Pilsener heute wahrscheinlich Vilsener heißen“, schließt Cord Heidhoff den Kreis. So oder so, bietet das Vilsener Pilsener also genügend Gesprächsstoff für gemütliche Abende.
Doch zurück zur Herstellung. Nach dem Brauen lagert das Ergebnis vier bis sechs Wochen in Metalltanks, bevor das fertige Vilsener Pilsener entweder in einem Fass für die Gastronomie oder in Flaschen für den weiteren Verkauf landet. Auch bei der Flaschenabfüllanlage hat Cord Heidhoff Hand angelegt. „Die Teile habe ich über das Internet geholt, den Aufbau habe ich mir selber zusammengereimt“, sagt der Oerdinghauser MacGyver. Das Bier wird unter Gegendruck aus dem Fass in die Flaschen geleitet. „Im Fass herrscht ein Druck. Wenn ich das so abfüllen würde, würde das aufschäumen. Darum erzeuge ich in den Flaschen einen höheren Druck als im Fass“, erklärt Heidhoff und führt es kurzerhand vor. Bis zu 100 Flaschen schafft der Brauer in der Stunde. Dann noch den Deckel rauf und ab zur letzten Dusche – beides Handarbeit.
Statt wie seine Kollegen wird das Vilsener Pilsener übrigens nicht im Sextett mit Pappumschlag präsentiert, sondern in einem Eimer – und das zu siebt. „Auf der Suche nach einer praktischen Transportmöglichkeit bin ich in der Küche auf den Eimer gestoßen. Und siehe da, es passen genau sieben Flaschen rein“, berichtet er über den Zufallsfund. Und Cord Heidhoff wäre kein Geschäftsmann, wenn er sich die Idee mit dem Eimer nicht auch noch patentieren lassen hätte.
Wer sich selber von dem Heidhoffschen Eigengebräu überzeugen möchte und es nicht nach Oerdinghausen schafft, kann sich beim Getränkehändler Masemann in Sulingen oder bei City-Oil in Bruchhausen-Vilsen mit Flaschen des 5,2-prozentigen Pils eindecken. Wieso wurde es jetzt eigentlich Pilsener? „Reiner Egoismus, das ist mein Geschmacksfavorit“, verrät Heidhoff und lächelt verschmitzt. Der macht zwar noch alles selber. Wie das aussehen wird, wenn die Verkaufszahlen weiter steigen, kann er nicht einschätzen. Eines weiß er aber gewiss: Eine alkoholfreie Variante wird es nicht geben. „Dann brauch ich kein Bier brauen, dann trinke ich Wasser.“